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Frankfurter Allgemeine Zeitung

March 1, 1999

SECTION: Feuilleton, Pg. 49

LENGTH: 445 words

HEADLINE: Der grosse Verstaendige

HIGHLIGHT: Zum Tod des Rechtshistorikers David Daube

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Die Karriere des Rechtshistorikers Daniel Daube war unfreiwillig international. Am 8. Februar 1909 in Freiburg im Breisgau geboren, studierte er antike Rechtsgeschichte und promovierte 1931 summa cum laude in Goettingen. Als glaeubiger Jude emigrierte er 1936 nach England, im selben Jahr promovierte er in Cambridge zum Ph. D. 1951 wurde er Professor fuer Roemisches Recht in Aberdeen, 1955 promovierte er in Oxford zum D. C. L. und wurde dort Regius Professor of Civil Law; 1970 wechselte er dann an die University of California in Berkeley. Er war Staendiger Gastprofessor, danach Honorarprofessor an der Universitaet Konstanz sowie Mitglied mehrerer Akademien und Inhaber zahlreicher Ehrendoktorate.

Daubes Arbeitsgebiete waren das roemische und das altjuedische Recht, darueber hinaus die Wissenschaft vom Neuen Testament sowie die gesamte Geschichte des Altertums - einige Buechertitel als Beispiele: "Studies in Biblical Law", "Forms of Roman Legislation", "The Sudden in the Scriptures", "The Duty of Procreation" (Widmung: "To My Three Sons"), "Gewaltloser Frauenwiderstand im Altertum", "Das Alte Testament im Neuen aus juedischer Sicht" - die letzten beiden in Konstanz erschienen. Alles, was er verfasste, zeugte von ungeheurer Quellen- und Literaturkenntnis sowie von einem durchdringenden Problembewusstsein und war zudem mit leichter Hand geschrieben, so dass er selbst die kniffligsten Fagen duchsichtig und nicht selten amuesant darlegen konnte. Seine mit erheblichem Charme gehaltenen Vortraege waren hinreissend.

In den ersten Jahren nach Hitlers Machtergreifung hatte Daube noch gehofft, dass der Spuk bald vorbei sein werde, und nur schweren Herzens entschloss er sich zur Emigration. Fuer alle, die dageblieben waren, brachte er grosses Verstaendnis auf und sah die meist unloesbaren Probleme, die das Leben unter einer totalitaeren Diktatur mit sich brachten, mit grosser Deutlichkeit und ohne vorschnelles absprechendes Urteil. Davon zeugt sein Buch "Collaboration with Tyranny in Rabbinic Law" von 1965, und wie aufmerksam er auch spaetere aehnliche Diktaturen betrachtete, kann in den jetzt erschienenen Tagebuechern der fruehverstorbenen DDR-Schriftstellerin Brigitte Reimann nachgelesen werden, die von einem Besuch Daubes 1963 in der DDR berichtet. So dankbar er England dafuer war, dass es ihn gastfreundlich aufnahm und ihm seine grosse Karriere eroeffnete, so sehr hing er an Deutschland, insbesondere an "meiner geliebten badischen Heimat". Kurz nach Vollendung seines neunzigsten Lebensjahres ist Daube jetzt in Kalifornien gestorben. Die ihn gekannt haben, denken in inniger Zuneigung an ihn zurueck. WOLFGANG SCHULLER